Schöne Jungfer im weißen Kleid

Es ist Ende März, die Welt lauert in Frühlingsstellung und es fällt Schnee. Die Großen murren, die Kinder freuen sich und die Vögel zwitschern verhalten. Noch vor Kurzem habe ich erste Frühlingsboten entdeckt; eine Huflattichblüte, klitzekleinen Sauerampfer, Babybrennesseln und das Schöllkraut, welches seine wolligen Blättchen aus dem Waldboden schob. Jetzt liegen sie alle wieder bedeckt von Schnee, geschützt vor den nächtlichen Frösten. Wenn aber die Sonne die dichte Wolkendecke durchbricht, dann wärmt sie mit kräftigen Frühlingsstrahlen und der Schnee zerfließt sofort in kleinen Bächen. So liegen Winter und Frühling im Ringkampf miteinander verschlungen und keiner scheint so recht die Oberhand zu gewinnen.

Über welches Pflänzchen soll ich da nur schreiben? Oben Frühling, unten Schnee – die Zeit zwischen den Zeiten.

Während ich nachdenklich meinen Ofen anheize, fängt ein Stück Birkenrinde knisternd Feuer und mir geht ein Licht auf. Natürlich! Was ist mit der schönen Jungfrau im weißen Kleide, die zarte Gestalt mit zähem Gemüt. Die Pionierin auf ödem Gelände. Die Birke, Baum der Anmut und Jugend! Ein Baum, der auf scheinbar bodenlosem Gelände wachsen und gedeihen kann und dabei schön und zart wirkt. Sie kann aus einer Mauer, an einem Schornstein, auf einer sandigen Brache, auf dem Dach der Gethsemaniekirche wachsen. Die Birke ebnet den Weg für andere, weniger anpassungsfähige Pflanzen. Da wo sie auftaucht ist sie ein Botin für neues Leben. Baum der Hoffnung.

Noch trägt sie keine Blätter, aber der Frühling regt sich bereits ihn ihr. Wer jetzt seine Löffel spitzt und sein Ohr an die glatte Rinde einer jungen Birke legt, der kann mit ein bisschen Glück den Frühling hören.

Auch ich habe es viele Male probiert, mich durch den Wald gelauscht, bis ich glaubte, die Geschichte vom rauschenden Baum sei eine Mähr. Aber manche Schätze zeigen sich eben nur zu ganz bestimmten Zeiten. Und so hört man das magische Rauschen nur:

Wenn das Eis schmilzt

und das Licht zurückkehrt.

Wenn die Bäume noch blattlos stehen

und doch die ersten tiefen Atemzüge nehmen.

Dann sind sie zu neuem Leben erwacht. Dann schießen die Säfte und rauschen hörbar durch ihren Stamm. An einem solchen Tag stehe ich und umschlinge eine Birke. Mein Ohr klebt an ihrer weißen Rinde. Es weht ein leichter Wind. Der schlanke Baum wiegt sanft hin und her und ich wiege mit ihm. Für einen Moment vergesse ich alles, meine nassen Füße, die Zeit, den seltsamen Anblick den ich biete. Und dann höre ich es, zum erstem Mal. Durch den glatten Birkenstamm rauscht in regelmäßigen Intervallen und mit lautem Gluckern der Frühlingsstrom. Ich kann ihn deutlich hören, mit bloßem Ohr. So also klingt der Frühling. Mir ist ganz feierlich zu Mute.

Dieser kostbare Lebenssaft, der gerade geräuschvoll zwischen meinen Händen durch den Baum fließt, wird besonders in slawischen Ländern traditionell getrunken. Dafür muss man den Baum nicht fällen, sondern nur ein kleines Löchlein bohren und das austretende Wasser auffangen.

Ob man den Gaumen oder das Haar damit benetzt; das berühmte Birkenwasser soll ewige Jugend und Schönheit verleihen. Kein Wunder. Wer eine Birke näher betrachtet kann vielleicht verstehen, weshalb sie seit altersher für Anmut, Jugend und Leichtigkeit steht.

Das Zucker- und Nährstoffreiche Birkenwasser ist der gehaltvolle Muttersaft aus dem Boden, den der Baum braucht, um nach dem Winterschlaf sein Blätterdach zu entfalten. Ist das geschehen, versiegt der mächtige Strom und es wird wieder still im Stamm. Die Bäume haben ihre gigantischen Blattfabriken angeworfen, schlürfen leise das Bodenwasser und verbrauchen Nahrung aus eigener Produktion. Der Frühling ist entgültig eingeläutet. Die zartgrünen Birkenblätter gehören zum essbaren Frühlingswald und lassen sich direkt in den Mund pflücken oder in allerlei Wildkräutegerichte einbauen. Wenn sie dunkel werden ist für dieses Jahr erstmal Schluss mit lecker. Ab April kann man die Blätter sammeln und für die Kräuterapotheke trocknen. Ein Tee aus Birkenblättern hat eine lange Tradition bei der Behandlung von Blasenleiden und wird gemischt mit anderen Kräutern für den inneren Frühjahrsputz getrunken.

Wer in der Stadt ein bisschen Birken schauen und lauschen will, der gehe ins kleine Wäldchen am Mauerpark. Wenn man einen verkehrsberuhigten Moment erwischt, kann man sich hier prima niederlassen und die lichte, freundliche Atmosphäre dieser Bäume spüren. Was man tun muss, damit einem jene Birken seine wahren Wünsche erfüllen, das verrate ich vielleicht ein anderes Mal, oder Sie finden es selbst heraus...

 

Maria Moch

Heilpraktikerin & Kräuterkundige

 

 

Teekur für den Frühjahrsputz

 

Birkenblätter

Löwenzahnblätter

Brennesselblätter

 

Die getrockneten Pflanzen zu gleichen Teilen mischen. Morgens vor dem Essen eine grosse Tasse trinken.

Diese reinigende Frühjahrskur dauert vier Wochen. Wer mag, kann sich die Blätter auch frisch sammeln und aufbrühen.