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Wir sind mehr Baum als Beton

 

Die langen, schönen Sommerferien sind vorbei. Wir räumen und packen unsere vielen Sachen und tauschen das Leben auf dem Land wieder gegen ein Stadt-Landleben ein.

"Heute rüsten wir ab" haben meine Großeltern immer gesagt, wenn wir nach einem langen Wochenende in ihrem Garten, wieder alles zurückräumen mussten, bis man schließlich die Jalousien runterziehen und die Tür absperren konnte. Abrüsten, damit der Garten, nach ein paar wuseligen, geschäftigen Tagen, wieder in seine friedliche Ruhe verfallen konnte. Abrüsten, damit aller menschlicher Kram verpackt ist und die Tierchen wieder ungestört ihrer Wege ziehen können. "Abrüsten!" hat meine Oma früher meinem Opa zugerufen und ich möchte es heute in alle Richtungen rufen: "Abrüsten!" Damit es in unserem Weltengarten endlich friedlich werden kann."

Zurück in unseren kleinen Garten: Nicht ohne Wehmut packen wir unsere Taschen. Räumen einen ganzen sonnigen Sonntag lang auf, um schließlich vollbepackt von unserer Landidylle in die Stadt zurückzukehren.

Am Montagmorgen, alle sind schon davongebraust, lausche ich sehnsüchtig den Vögeln und dem jungen Tag, der mich durchs Fenster nach draußen lockt. Mehrere Wände trennen mich nun von ihm und eine Menge Arbeit wartet vorwurfsvoll auf mich. Ich winke ihr beschwichtigend zu "einen Moment noch!", schlüpfe in die erstbesten Klamotten und rausche vier Stockwerke nach unten aus dem Haus hinaus. Nur ein Stückchen Straße, dann bin ich in einer Kleingartenanlage. Eine kleine grüne Welt, mitten in der Stadt. Eine grüne Lunge, ein zu Hause für summende, krabbelnde, flatternde, singende, schleichende Tiere, eine Minidraußenwelt. Und es funktioniert. Kaum betrete ich den ersten Weg, bin ich schon umgeben von dieser einmaligen Atmosphere. Die Luft wird frischer, die Sonne spielt in den Blättern, die Vögel singen, Schmetterlinge flattern - alles bildet eine heilsame Hülle. Draußen rauscht der mächtige Strom der Autos, aber hier ist drinnen, hier hat die Natur ihren eigenen Ton und sofort atmet etwas in mir auf. Jeder Baum, jede Wiese, jede wilde Hecke kann das. Wir müssen nur hinhören. Jede Ecke, die wir grün und vielfältig lassen, kann uns zum klingen bringen, kann uns ein bißchen heilen von dem Lärm und der Unruhe. Je mehr wir "abrüsten", unseren Kram beiseite räumen, umsomehr Platz für Natur. Umso mehr Platz für uns. Wir können es nicht so recht glauben, aber wir sind verwandt. Wir sind mehr Baum als Beton.

 

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