Gomera 5, Agua bendita

Gomera 4. Agua bendita

Unsere nackten Füße tasten sich Schritt für Schritt vorwärts. Paso a paso. Sie müssen ihren Halt finden, auf rutschigen, manchmal spitzen Steinen, im Wasser, über Wurzeln. Auf dem Weg zu einem Wasserfall, folgen wir dem Bachbett, tief in eine Schlucht hinein. Wie kleine Ameisen bewegen wir uns unter meterhohem Bambus, waten durchs Wasser, streifen dicke Palmenbaumbäuche, krabbeln durch unwegsames Gelände. Ich war noch nie in den Tropen, aber genauso stelle ich mir den Dschungel vor. Nur das es hier keine Tiere gibt, die uns gefährlich werden können. Nicht unter unseren Füßen, nicht über unseren Köpfen. Wir können hier einfach barfuß und unbewaffnet durchs Buschwerk krabbeln. Dschungel light.

So unwegsam die Route auch ist, sie scheint beliebt zu sein. Und zu dieser Vormittagsstunde rege begangen. Obwohl “gehen“ nicht wirklich das richtige Wort ist. Stolpern wäre passender. Elegant kommt hier niemand bei weg, egal, wie fest die Schuhe und wie stabil die Wanderstöcke auch sind. Alle rutschen gleichermaßen über die glitschigen Steine und suchen in tiefer hängenden Ästen halt. Milan huscht voraus. Seit wir das Bachbett erreicht haben, sind seine Lebensgeister wieder geweckt. Vergessen ist der übelgelaunte Anmarsch durch die knallige Sonne, vergessen der Wanderstreik. Zauberwasser. Unsere nackten Füße finden Halt auf den Steinen, der kühle Bach dringt erfrischend bis ins Innerste, feuchte Lehmstellen schmeicheln der Haut. Es steht außer Frage, einen Schritt ohne die volle Aufmerksamkeit zu setzten. David und ich müssen immer wieder stehen bleiben, um zu staunen und zu lauschen. Wir sind zutiefst fasziniert, von dieser wundersamen Welt.

Das letzte Stück ist so urig, dass einige Wanderer nun wieder umdrehen und glauben, der Weg sei hier zu Ende. Wir treffen ein älteres Päärchen, das genervt und völlig außer Atem mit ihrem Handy schimpft. Das Navi springe hin und her und dreht sich lustig im Kreis. Sie hätten sich verlaufen und wo ist den nun der Wasserfall. Ich muss schmunzeln, denn ganz offensichtlich führt der kleine Fluss, weiter in die Schlucht hinein und ein Blick nach vorne verrät, dass wir ihr Ende und damit den Wasserfall bald erreicht haben werden. Ich ermutige sie also weiter dem Bachbett zu folgen. Wie zum Beweis schlagen wir uns ins Dickicht und sind schon bald ihren Blicken und Ohren entschwunden. Am Ende erreichen wir eine Felshalle, in der in sanftem Strahl, das Wasser zu uns in die Tiefe fällt. Gerade scheint die Sonne auf das Spektakel und ich wasche mein Gesicht in einem Regenbogen. Es kommt mir heilig vor, dieses weiche Süßwasser auf einer wasserarmen Insel im salzigen Atlantik. Ein gesegneter Ort. Als die Sonne die Felsenhalle verläßt, sind alle fort. Wir bleiben übrig, zusammen mit einer goldgelben Bachstelze, die die Picknickkrümel der Besucher vertilgt. Zusammen mit einem Feigenbaum, der wie zum Beweis hier wächst, das auch dies ein Paradies ist.

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